Biegebeanspruchung

Wenn lange, schlanke Bauteile wie Stützen, Balken etc. durch eine Kraft quer zur Stabachse belastet werden, können diese durchgebogen werden, so dass eine bleibende Verformung entsteht und dadurch die Funktionsfähigkeit der Konstruktion verloren geht. Durch die einwirkende Kraft entstehen bei der Biegebeanspruchung Zug- und Druckspannungen. Der Bereich, in dem die Zugkräfte auftreten, wird gezogen. Der Bereich, in dem die Druckkräfte auftreten, wird gestaucht. Die mittlere Schicht wird als neutrale Faser betrachtet, die weder gestreckt, noch gestaucht wird. Ausgehend von der mittleren Schicht, wo keine Spannung herrscht, nimmt die Spannung in Richtung äußerer Rand immer mehr zu. Am äußeren Rand entstehen die stärksten Spannungen.

Biegebeanspruchung

Formelzeichen bei Biegeberechnungen

Bei Berechnungen zum Biegen werden folgende Formelzeichen verwendet:

  • Biegekraft: Formelzeichen F. Das ist die Kraft, durch die das Bauteil auf Biegung beansprucht wird.
  • Stablänge: Formelzeichen l. Die Länge des Bauteils, das auf Biegung beansprucht wird.
  • Durchbiegung: Formelzeichen f. Das ist die Differenz zwischen der ursprünglichen Position des Bauteils und nachdem es mit der Biegekraft gebogen wurde.
  • Biegespannung: Formelzeichen σb. Die Spannung, die im Bauteil durch die Biegebeanspruchung entsteht bzw. die maximale Spannung, die an den Rändern des Bauteils entsteht.
  • Elastizitätsmodul: Formelzeichen E. Mit dem Elastizitätsmodul wird das Dehnungsverhalten angegeben, wenn der Werkstoff unter Zugspannung gesetzt wird und die Spannung dabei unterhalb der Streckgrenze ist. Es ist das Verhältnis der Zugspannung zur Dehnung in Kraft pro Fläche. Elastische Werkstoffe haben ein niedriges Elastizitätsmodul und sind daher dehnbarer als steife Werkstoffe mit einem hohen Elastizitätsmodul. Es wird aus Datenblättern oder Tabellenbüchern entnommen oder kann berechnet werden.
  • Flächenmoment des 2. Grades: Formelzeichen I. Ein anderer Begriff hierfür ist Flächenträgheitsmoment, der aus dem Querschnitt des Bauteils abgeleitet wird und die Steifigkeit bei einer Biegung um die Achsen angibt. Spannt man beispielsweise ein Lineal in flacher Position horizontal an einem Ende, lässt es sich durch eine Kraft am anderen Ende wesentlich leichter biegen als wenn man das Lineal in hochkantiger Position horizontal einspannen würde. Die veränderte Steifigkeit ergibt sich nur durch die geometrische Form des Querschnitts und das Flächenträgheitsmoment gibt eine Auskunft darüber. Auch diese Werte können aus Datenblättern oder Tabellenbüchern entnommen werden. Man kann die Werte auch mit dem Satz von Steiner berechnen.
  • Axiales Widerstandsmoment: Formelzeichen W. Das axiale Widerstandsmoment ist eine vom Flächenträgheitsmoment abgeleitete Größe. Wird gewöhnlich berechnet, indem man das Flächenträgheitsmoment durch den maximalen Randabstand von der neutralen Schicht teilt. Es wird deshalb auch als Steifigkeit des Randes gegen Biegung betrachtet. Das ist deshalb maßgebend, weil an den äußeren Rändern die größten Spannungen herrschen. Mit dem Widerstandsmoment können diese Spannungen ermittelt werden. Je größer das Widerstandsmoment ist, umso kleiner sind die Spannungen. Der Unterschied zwischen Flächenträgheitsmoment und Widerstandsmoment ist, dass beim Flächenträgheitsmoment nur die Steifigkeit der Geometrie angegeben wird. Das Widerstandsmoment spielt bei der technischen Betrachtung eine größere Rolle, denn damit wird neben dem Flächenträgheitsmoment auch der Abstand zwischen der neutralen Schicht (Faser) bis zum Rand berücksichtigt. So kann die maximale Spannung und daraus ableitend die zulässige Beanspruchung berücksichtigt werden.
  • Biegemoment: Formelzeichen Mb. Ist das Produkt aus Biegekraft und Stablänge. Der Biegemoment ist abhängig von der Lagerung der Enden (eingespannt, frei, aufgestützt) und von der Art der Krafteinwirkung (Einzelkraft, mehrere Kräfte verteilt über Stablänge). Das Biegemoment ist, neben dem axialen Widerstandsmoment, maßgebend für die Spannung im Bauteil und nicht die einwirkende Biegekraft.

Biegemoment berechnen

Dadurch, dass das Biegemoment (Mb) von der Art der Krafteinwirkung und von der Lagerung der Enden abhängig ist, gibt es mehrere Formeln für die Berechnung, die nachfolgend abgebildet sind. Die Formeln für die Durchbiegung (f) sind ebenfalls dargestellt.

Biegemoment Formeln

Beispiel für ein Bauteil, das einseitig eingespannt und mit Einzelkraft belastet ist:

Kraft (F): 5000 N

Stablänge (l): 300 cm

Elastizitätsmodul (E): 19600000 N/cm²

Flächenmoment des 2. Grades (I): 1360 cm4

Gesucht: Biegemoment Mb, Durchbiegung f

Berechnung für Biegemoment: 5000 · 300 = 1500000 Ncm = 15000 Nm

Berechnung für Durchbiegung: 5000 · 27000000 : (3 · 19600000 · 1360) = 1,688 cm

Biegespannung berechnen

Ist das Biegemoment ermittelt, kann man die Biegespannung berechnen. Die Formel ist:

Formel für Biegespannung

Beispiel:

Biegemoment (Mb): 1500000 Ncm

Widerstandsmoment (W): 151 cm³

Gesucht: Biegespannung σb

Berechnung: 1500000 : 151 = 9933,77 N/cm² = 99,3377 N/mm²

Zulässige Biegespannung unter Berücksichtigung der Sicherheitszahl

Aus den Datenblättern und Tabellenbüchern können die Werte für die Grenzspannungen für die Beanspruchungsart Biegung entnommen werden. Die Grenzspannung ist abhängig von der Belastungsart und wird wie folgt benannt:

  • Bei ruhender, statischer Belastung: Biegegrenze, Formelzeichen σbF
  • Bei schwellender, dynamischer Belastung: Biegeschwellfestigkeit, Formelzeichen σbSch
  • Bei wechselnder, dynamischer Belastung: Biegewechselfestigkeit, Formelzeichen σbW

Bauteile dürfen nicht so dimensioniert werden, dass die Beanspruchung bis an die Grenzspannung geht. Es muss stets ein Sicherheitspuffer vorhanden sein der verhindert, dass die Grenzspannung erreicht wird. Das geschieht durch einen Sicherheitsfaktor, der auch Sicherheitszahl genannt wird. Teilt man die Grenzspannung durch die Sicherheitszahl, erhält man als Resultat die zulässige Biegespannung (σb zul). Die Formeln für die drei Belastungsarten sind:

Formel für zulässige Biegespannung

Beispiel für ruhende, statische Belastung (Belastungsfall I):

Biegegrenze (σbF): 330 N/mm²

Sicherheitszahl 3

Gesucht: Zulässige Biegespannung σb zul

Berechnung: 330 : 3 = 110 N/mm²

Das zulässige Biegemoment und das erforderliche Widerstandsmoment berechnen

Mit Hilfe der zulässigen Biegespannung (σb zul) kann man das zulässige Biegemoment (Mb zul) oder das erforderliche Widerstandsmoment (Werf) berechnen. Die Formeln hierfür sind:

Zulässiges Biegemoment und erforderliches Widerstandsmoment

Beispiel für das zulässige Biegemoment:

Zulässige Biegespannung (σb zul): 110 N/mm²

Widerstandsmoment (W): 151 cm³ = 151000 mm³

Gesucht: Zulässiges Biegemoment Mb zul

Berechnung: 110 · 151000 = 16610000 Nmm = 16610 Nm

Beispiel für das erforderliche Widerstandsmoment:

Zulässige Biegespannung (σb zul): 110 N/mm²

Biegemoment (Mb): 1500 Nm = 1500000 Nmm

Gesucht: Erforderliches Widerstandsmoment Werf

Berechnung: 1500000 : 110 = 13636,3636 mm³ = 13,6363 cm³