Zugbeanspruchung
Die Zugbeanspruchung gehört zu den häufigsten Beanspruchungsarten bei Metallbauteilen und -konstruktionen. Das Werkstück wird dabei unter Zugspannung gesetzt, so als würde man versuchen, das Werkstück wie ein Gummi zu ziehen. Bis zur Streckgrenze (Re) hat das Werkstück ein elastisches Formverhalten. Ab der Streckgrenze bis zur Zerstörung hat das Werkstück ein plastisches (bleibendes) Formverhalten.
Die Zugfestigkeit (Rm) gibt die größte aufzuwendende Kraft an die nötig ist, um das Werkstück zu zerstören. Die Zerstörung erfolgt in der Regel nicht mit dem Erreichen der Zugfestigkeit, sondern es beginnt die Einschnürung des Materials. Die Zerstörung des Bauteils erfolgt, nachdem die Querschnittsfläche der Einschnürungsstelle zu gering geworden ist, um den auftretenden Kräften standzuhalten.
Für die Berechnung wird die Kraft (Formelzeichen F) durch die Querschnittsfläche (Formelzeichen S) geteilt und man erhält die Zugspannung (Formelzeichen σz). Daraus ergibt sich die Formel: σz = F : S. Die Zugspannung wird in N/mm² angegeben. Bei der Querschnittsfläche (S) ist jeweils die dünnste Stelle bzw. die Stelle mit der geringsten Querschnittsfläche maßgebend. Das ist vor allem bei Schraubverbindungen wichtig, da der Schraubenschaft, bedingt durch das einschneidende Gewinde, einen äußeren und einen kleineren, inneren Durchmesser hat.
Beispiel:
Kraft (F): 5000 Newton
Fläche (S): 100 mm²
Gesucht: Zugspannung σz
Berechnung: 5000 : 100 = 50 N/mm²
Dehngrenze bei nicht ausgeprägter Streckgrenze und Hookesche Gerade
Da Bauteile so dimensioniert sein müssen, dass durch die Beanspruchung keine bleibende (plastische) Formänderungen hervorgerufen werden, dürfen diese bei einer statischen Zugbeanspruchung nur im Bereich unterhalb der Streckgrenze Re belastet werden. Einige Werkstoffe haben keine ausgeprägte Streckgrenze, z.B. vergütete Stähle. Bei diesen Werkstoffen setzt man in die Berechnungen anstelle der Streckgrenze die 0,2% Dehngrenze (Formelzeichen Rp0,2). Die Dehngrenze wird grafisch ermittelt. Hierfür zeichnet man bei 0,2% Dehnung eine Parallele zur Hookeschen Gerade, so dass die Gerade die Spannungs- Dehnungskurve schneidet. Der Schnittpunkt entspricht der Dehngrenze Rp0,2.
Es gibt auch (spröde) Werkstoffe ohne ausgeprägte Streckgrenze und ohne Dehngrenze. Solche Werkstoffe haben kein bzw. ein geringes, plastisches Formverhalten. Der Bruch erfolgt im Bereich der Zugfestigkeit Rm.
Mit einer anderen Geraden kann die Bruchdehnung (Formelzeichen A) ermittelt werden. Hierfür wird bis zum Punkt der Zerstörung bzw. des Bruchs eine Gerade gezeichnet. Die Dehnung bis zu dieser Gerade entspricht der Bruchdehnung (Formelzeichen A). Mit der Bruchdehnung wird die bleibende Dehnung nach dem Bruch (in %) angegeben. Die bleibende Dehnung ist die Differenz zwischen der ursprünglichen Länge und der Länge, wenn man das Werkstück nach dem Bruch wieder zusammensetzt. Es handelt sich dabei um eine rein plastische Dehnung, da die elastische Dehnung beim Bruch entfällt.
Bruchdehnung mathematisch berechnen
Die Bruchdehnung kann auch mathematisch berechnen. Hierfür braucht man lediglich die ursprüngliche Länge (Lo) und die (zusammengesetzte) Länge nach dem Bruch (Lu). Die Formel für die Berechnung der Bruchdehnung lautet:
Beispiel:
Ursprüngliche Länge (Lo): 120 mm
Länge nach dem Bruch (Lu): 124,25 mm
Gesucht: Bruchdehnung A
Berechnung: (124,25 - 120) : 120 · 100 = 3,541 %
Zulässige Zugspannung und Sicherheit bei statischer Belastung (Belastungsfall I)
Die Streck- bzw. Dehngrenze eines Werkstoffs stellt die Belastungsgrenze dar, bis zu der ein Material bei statischer Belastung plastisch nicht verformt wird. Trotzdem dürfen Bauteile nicht so dimensioniert werden, dass die auftretenden Zugkräfte bis an die Belastungsgrenze gehen. Die Bauteile müssen so dimensioniert werden, dass stets eine Sicherheitsreserve vorhanden ist und die zulässige Zugspannung wesentlich geringer ist, als die Streckgrenze bzw. Dehngrenze es theoretisch erlauben würde. Das wird mit einem Sicherheitsfaktor, auch Sicherheitszahl genannt, erreicht. Die Sicherheitszahl ist dabei größer als 1. Teilt man die Streckgrenze (Re) oder Dehngrenze (Rp0,2) durch die Sicherheitszahl, erhält man als Ergebnis eine geringere zulässige Zugspannung (σz zul). Manche Materialien wie z.B. sprödes Gusseisen, haben weder eine ausgeprägte Streckgrenze, noch eine ermittelbare Dehngrenze. In solchen Fällen wird die Zugfestigkeit (Rm) durch die Sicherheitszahl geteilt, um die zulässige Zugfestigkeit zu ermitteln. Daraus ergeben sich folgende Formeln für die zulässige Zugspannung:
Beispiel:
Streckgrenze (Re): 235 N/mm²
Sicherheitszahl (v): 3,5
Gesucht: Zulässige Zugspannung σz zul
Berechnung: 235 : 3,5 = 67,142 N/mm²
Zulässige Zugspannung und Sicherheit bei dynamischer Belastung (Belastungsfälle II und III)
Bei dynamischen Belastungen (Belastungsfälle II und III) wird für die Ermittlung der zulässigen Zugspannung die Zugschwellfestigkeit (σzSch) bzw. Zugwechselfestigkeit (σzW) zugrunde gelegt. Die Formeln lauten:
Beispiel für Belastungsfall III:
Zugwechselfestigkeit (σzW): 150 N/mm²
Sicherheitszahl (v): 3,5
Gesucht: Zulässige Zugspannung σz zul
Berechnung: 150 : 3,5 = 42,86 N/mm²
Berechnen der zulässigen Zugkraft
Die zulässige Zugkraft (Fzul) für ein Bauteil insgesamt lässt sich sehr einfach berechnen. Hierfür multipliziert man die zulässige Zugspannung (σz zul) mit der Querschnittsfläche (S). Daraus ergibt sich folgende Formel:
Beispiel:
Zulässige Zugspannung (σz zul): 67,142 N/mm²
Fläche (S): 314 mm²
Gesucht: Zulässige Zugkraft Fzul
Berechnung: 67,142 · 314 = 21082,59 Newton